Zwei Jahre mussten die Teilnehmer an der vom Großen Kapitel organisierten Weinreise ins spanische Topweinbaugebiet Rioja warten. Coronabedingt musste diese Reise immer wieder verschoben werden. Von 1.bis 4. Mai 2022 war es dann endlich soweit: 14 Mitglieder des St. Urbanus Weinritterordens waren in die baskische Hauptstadt Bilbao gekommen, um von hier aus die Reise durch die Weingüter in Rioja und Rioja Alavesa in die Welt des Tempranillo zu beginnen. Acht Weingüter unterschiedlichster Größe und Philosophie standen auf dem Programm, jedes ein eindrucksvolles Erlebnis für sich.
Mit dem Bus ging es vom Flughafen Bilbao gleich direkt ins Weinbaugebiet Rioja Alta, wo vor allem die ungewöhnlichen Niedrig-Stockkulturen der Weingärten auffielen. In Elciego, einem mittelalterlichen Städtchen, gab es beim Mittagessen im landestypischen Restaurant La Florida den ersten Eindruck der spanischen Kulinarik. Um danach gleich ins benachbarte Top-Weingut Marques de Riscal zu schauen. Beeindruckend das vom kanadischen Stararchitekt Frank O. Gehry 2006 gestaltete Hotel des Weingutes (auch das Guggenheimmuseum in Bilbao ist von ihm). Marqués de Riscal ist übrigens das älteste Weingut in der baskischen Provinz Álava und war über hundert Jahre (seit 1858) ausschließlich auf Rotweine spezialisiert. Berarbeitet werden 1.500 ha, wovon etwa 500 ha im Eigenbesitz sind.
90% der verarbeiteten Trauben sind Tempranillo, 7% Graziano und 3% Mazuelo. Beeindruckend die Gärbehälter, riesige Holzbottichen aus Eiche. Und die etwa 27.000 Barriquefässer, in denen die Weine 2 (Reserva) bzw. 3 Jahre (Gran Reserva) reifen. Danach reifen sie noch einmal 2 bzw. 3 Jahre auf der Flasche nach. 7 Mio. Flaschen werden hier erzeugt, mehr als beeindruckende Zahlen. Bei der Verkostung gab es einen Verdejo-Weißwein, eine Crianza 2018 und eine Reserva 2017 in der traditionellen Flasche Messingdrahtgerüst. 2021 wurde Marques de Riscal übrigens als zweitbestes Weingut weltweit ausgezeichnet, als Bestes in Europa!
Nach einem erlebnisreichen Abend in den Tapas-Bars von Logrono ging es am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück ins Weingut Remirez de Ganuza, dessen Jahrgang 2004 als erst dritter Wein aus dem Rioja mit 100 Parker-Punkten ausgezeichnet worden war. Das Weingut in Samaniego gibt es erst seit 1989, es wurde aber in Stil und Aussehen dem mittelalterlichen Städtchen angepasst - und mit alten Baumaterialien neu errichtet. Von einem ehemaligen Fleischhauer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses Weingut zu bauen und Weine in Top-Qualität zu erzeugen. Der Tradition verpflichtet, ebenso wie die Weinerzeugung, wo zwar in modernen Stahltanks vergoren, aber in neuen Barriquefässern ausgebaut wird. Verkostet wurden Blanco Reserva 2019, Vino Coqueta 2013, Reserva 2014 und Trasnocho 2015.
Weiter ging's zum benachbarten Familienweingut Ostatu, wo 36 ha Rebfläche mit insgesamt 50 Kleinrieden in verschiedenen Höhenlagen entlang des kantabrischen Gebirges bearbeitet werden. Anfang der 1970er Jahre entschied man sich, die Trauen der seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Weingärten selbst zur Weinerzeugung zu nutzen. Und so entstand neben dem Haus aus dem 18. Jahrhundert ein moderner Kellereibetrieb, der herausragende Weine produziert. Verkostet wurden Lore de Ostatu 2018, ein Weißwein aus Viura und Malvasia-Trauben aus dem kühlsten und hochgelegendsten Weingarten, der 6 Monate im Barrique reifte. Danach Laderas de Ostatu 2016 aus Tempranillo und Viura-Trauben auf 630 m Höhe gewachsen, gefolgt von einer Gran Reserva 2015 und zum Abschluss Gloria 2015 aus "Revillas", dem ältesten Weingarten des Gutes, zu 100% Tempranillo.
Weiter ging's zum Weingut Ysios, das bereits von Weitem durch sein ausgefallenes Erscheinungsbild des spanischen Architekten Santiago Calatrava (von ihm stammt der Bahnhof in Lyon, der Flughafen Bilbao oder Bauten am New Yorker Ground Zero). In dieser hypermodernen "Kathedrale des Weins" werden unter nahezu sterilen Verhältnissen die Weine in klinisch sauberen Räumen, in denen man sprichwörtlich vom Boden essen könnte, ausgebaut. Verkostet wurden hier Ysios Blanco 2019 aus 100% Viura, Ysios Selection 2016 von 35 Jahre alten Tempranillo-Rebstöcken, Finca el Nogal 2018 aus 60 Jahre alten Tempranillo-Reben, Grano a Grano 2019 aus handselektierten Tempranillo-Trauben und Finca Las Naves 2017 zu 100% Tempranillo mit gewaltigen 15 Vol% Alkohol.
Zu Guter Letzt besuchten wir noch das einzige "Chateâu" dieser Region, die Bodegas Contino bei Laguardia. Wie bei den französischen Chateâus werden nur eigene Weingärten rund um das Weingut bewirtschaftet. 62 ha sind das rund um eine Biegung des Flusses Ebro. Das Weingut selbst gibt es erst seit 1973, aber das Anwesen und die Keller stammen aus dem 16. Jahrhundert, die zu den ältesten im Rioja gehören. Die Besitzer sind jeweils die Befehlshaber jener 100 Soldaten, die seit damals für den persönlichen Schutz der spanischen Königsfamilie verantwortlich sind. "Contino", also "kontinuierlich". Daher auch das königliche Wappen am Weingut. Nach der Besichtigung der Kellergewölbe, in denen auch die Reservas und Gran Reservas in den Flaschen reifen, ging es ans Verkosten.
Contino Rioja 2019, Garnacha 2019 (ausgebaut in französischer Eiche, danach 10 Monate in 2.000 l-Fässern und 5 Monate im Betontank), Reserva 2017 (ausgebaut im Stahltank, 85% Tempranillo, 10% Graciano, 5% Mazuelo), Graciano 2017 (vergoren in 10.000 l Eichenfässern, danach 16 Monate in franz. Barrique-Fässern, 6 Monate im Betontank), Vina del Olivo 2019 (aus einem 700 Jahre alten Weingarten rund um einen Olivenbaum, 10 Tage Gärung in 10.000 l Eichenfässern, 16 Monate in in franz. und amerikanischen Barriquefässern, weitere drei Monate in großen Eichenfässern).
Nach einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant La Tavina in Logrono ging es am nächsten Tag in die Stadt Haro ins Weingut Vina Tondonia der Familie Lopez de Heredia, wo man sich um 100 Jahre zurückversetzt fühlt. Es handelt sich hier aber keineswegs um ein Museum, sondern um ein Weingut, dass die alte und traditionelle Kunst des Weinmachens erhalten hat - und dennoch zeitgemäße Weine produziert.
1877, nach dem Besuch französischer Weinhändler, die im Rioja Weine einkauften, weil die Reblaus die französischen Weinberge vernichtet hatte, gründete Don Rafael López de Heredia y Landeta, ein enthusiastischer und sachkundiger Student in der Kunst der Weinerzeugung, diese Bodega. Er meinte, dass er den Wein nicht den Franzosen verkaufen müsse, sondern ihn gleich selber machen könne. Was er auch - durchaus erfolgreich - in die Tat umsetzte. Nach einer interessanten Besichtigung der ausgedehnten Kellerräume und der eigenen Fassbinderei wurden im historischen Verkostungsraum zwei gehaltvolle Rote verkostet: Vina Tondonia Reserva 2010 im Messinggerüst (1913-14 hatte Don Rafael den Weinberg Viña Tondonia mit 100 ha am rechten Ebro-Ufer angelegt, der die berühmtesten Produkte der Bodega hervorbringt) und Vina Bosconia 2011.
Beim benachbarten Weingut Bodegas Roda dann das genaue Gegenteil: ein moderner Betrieb, sauber, gegründet in den späten 1980er Jahren über uralten Kellergewölben, die gekonnt ins Weingut integriert wurden. Über Solaranlagen und Wärmetauscher ist man hier bei der Weinproduktion Energieautark, wofür Bodegas Roda auch mit dem spanischen Umweltzertifikat ausgezeichnet wurde. Verkostet wurden Sela 2019 (ein junger, kräftiger, trinkreifer Wein), Roda Reserva 2018, Roida I Reserva 2017 und Cirsion 2018 (Topwein, wird nur in den besten Jahrgangängen von den besten Trauben erzeugt).
Zur Mittagspause im mittelalterlichen Städtchen Haro absolvierten wir noch einen kleinen Stadtrundgang, und auch hier fühlte man sich in den engen Gässchen und kleinen Bodegas in längst vergangene Zeiten zurück versetzt. Abschluss und Höhepunkt der Weinreise war dann der Besuch im 1932 gegründeten Weingut Muga, dessen "Wachturm" bereits von Weitem zu sehen ist. Auf insgesamt 25.000 m2 wird hier Wein gemacht, gelagert und verkauft. Tradition wird auch hier große geschrieben, wovon wir uns bei der Tour durch das Weingut überzeugen konnten. Auch hier verzichtet man auf Stahltanks, alles wird in französischer Eiche ausgebaut, wobei die Fässer durchwegs am eigenen Weingut erzeugt werden. Auch die großen!
Sensationell dann auch der Verkostungsraum, wo man uns mit österreichischer Fahne vor dem Kaminfeuer besonders freundlich und aufmerksam empfing. Zu den Weinen gab es nicht nur gekochten Spargel, sondern auch (wie in den meisten anderen Weingütern übrigens auch) spanischen Serrano-Schinken, Chorizo-Würste und Käse. Und als das Weingut bereits offiziell geschlossen hatte, saßen wir noch bis in den frühen Abend bei den zu verkostenden Weinen beisammen. Rioja 2021, Reserva 2018 (Tempranillo, Garnacha tinta, Mazuelo und Graciano, 22 Monate im Barrique)), Seleccion Especial 2016 (Tempranillo, Grenache, Mazuelo (Carignan) und Graciano, 16 Monate im Barrique, 18 Montae Flaschenreifung) und Prado Enea Gran Reserva 2015 (Tempranillo, Grenache, Mazuelo (Carignan) und Graciano, 36 Monate im Barrique, 36 Monate Flaschenreifung).
In Bilbao mit dem Besuch des Guggenheim-Museums (wirklich beeindruckend) und einem Steakdinner der Extraklasse im restaurant Amaren (Platz 87 unter den Top 100 weltbesten Steakrestaurants) ging diese Weinreise ins Baskenland und in die Weinbauregion Rioja zu Ende. So mancher Wein aus dieser Gegend wird in Zukunft tolle Erinnerungen wecken!
Text und Fotos: Christian Stöger