Ins nordöstliche Weinviertel führte die Reise des Konventikels Wiener Weinberge am Samstag, den 16.9.2017, und zwar nach Poysdorf und Herrenbaumgarten. Im Weingut Taubenschuss gab's die ersten 7 Weine zu verkosten, beim Mittagessen im Hotel Veltin dann weitere 4 Taubenschüsse. Im Nonseum in Herrenbaumgarten hatten die 26 St. Urbanus-Mitglieder dann viel zu lachen, bevor man sich auf den unterirdischen Weinwanderweg für Kurzwanderer durch die miteinander verbundenen Keller von Friedl Umschaid begab. Der neben seinen jungen Weinen auch so manche Rarität aus den Kellergewölben öffnete.
Erste Station der Weineise war der mit vielen bunten Taubengemälden und Skulpturen geschmückte Winzerhof der Familie Taubenschuss mitten in Poysdorf. Das Weingut besteht seit 1670, und seit Kurzem hat der jüngere Sohn, der 25jährige Markus Taubenschuss, die Kellerwirtschaft übernommen. Als Absolvent der Weinbauschule Krems baut er auf die Erfahrungen erfolgreicher Winzergenerationen, vor allem seines Vaters Helmut. Während sich der 29jährige Thomas mit Mutter Monika um den Vertrieb und das Marketing kümmert. Bewirtschaftet werden 20 ha der besten Lagen rund um Poysdorf. "Wir bauen nur Sorten aus, die nach Bodenbeschaffenheit, Lage und Kleinklima herausragende Qualitäten erbringen", so das Motto der Taubenschuss', die bekannt sind für reintönige, trockene Weine mit unverwechselbarer, dichter Charakteristik.
Davon konnte sich auch die St. Urbanus Verkostungsrunde überzeugen. Los ging's mit einem leichten und zarten Welschriesling 2016 mit 12,5%, 3,5gRZ und 5,5g/lS, gefolgt vom DAC Classic 2016. 12,5%, 1,3gRZ, 5,4g/lS, helles Grüngelb, fruchtig und würzig mit der klaren Veltlinerstilistik und dem sortentypischen Pfefferl. Zwei Tauben kennzeichnen den unkomplizierten Wein als "trinkfreudig für den täglichen Bedarf". Der 2017er wird übrigens nächste Woche zu lesen begonnen, erklärt Helmut Taubenschuss, was um gut einen Monat früher als in den vergangenen Jahren ist. Man hatte hier in Poysdorf 2017 60 Prozent weniger Niederschlag als sonst, was den Reben in den tiefen Lössböden aber kaum geschadet hat. Und hier ganz besonders nicht der Leitsorte des Betriebs, dem Grünen Veltliner.
Weiter ging's mit dem GV Weisser Berg 2016 ist aus etwa 29 Jahre alten Reben gekeltert, die auf tiefgründigem Lehmboden mit Kalkanteil wachsen. Bei kurzer Maischestandzeit im Stahltank ausgebaut, mit 12,5%, 1,9gRZ und 5,6g/lS ein vollmundiger, kräftiger Veltliner mit vielschichtigen Duftnoten, tiefgründig und pikant. Gekennzeichnet mit drei Tauben als "Top-Wein für viele Anlässe". Eine Stufe darüber dann der GV Ried Tenn 2015 mit vier Tauben, ein "Weinerlebnis für den Kenner". Bis zu 12 Stunden auf der Maische und nach der Vergärung weitere 13 Monate Hefelagerung im Stahltank. Mit 13%, 2,2gRZ und 7,7g/lS zeigt er relativ hohe Graduierungen, besticht durch intensives Goldgelb, mit tiefgründigem Duft nach Steinobst, am Gaumen dezente Kräuter- und Honignoten, sehr elegant und würzig. Fünf Tauben und damit die Kategorie "Genuss für Weinliebhaber" hat dann der GV Große Reserve MX Alte Reben 2013. Gekeltert aus Trauben von 60 Jahre alten Reben, langer Maischestandzeit und 35 Monate Ausbau im großen Holzfass ist dieser Wein rund und voll. 13%, 2,1gRZ, 5,6g/lS leuchtet er mit intensivem Goldgelb im Glas, besticht durch eine Pfeffer-Vanille-Duftmelange und großem, langem Abgang. Ein Wein für viele Jahre.
Zum Mittagesmenü im Hotel Veltlin am Golfplatz, zwischen den Poysdorfer Rieden, wurde zum Wild- bzw. Fischmenü noch so manche vinophile Köstlichkeit gereicht. Wie etwa der GV Ried Herrmannschachern 2016, ein Vier-Tauben-Wein mit 12,5%, nur 1,1gRZ und 5,3g/lS. Diese Riede wurde übrigens im Jahr 1338 erstmals urkundlich erwähnt - und ist damit die älteste Riede in ganz Österreich. Der Wein hingegen frisch, pfeffrig, würzig, mineralisch, tiefgründig.
Und dann erst die Weißburgunder. Der Classic 2016 mit 12,5%, 4gRZ und 5,7g/lS sehr vielschichtig, mit toller Pfirsichfrucht und Honignote, gekennzeichnet mit 3 Tauben. Als bester WB Österreichs wurde die Selection 2013 beim Salon 2017 ausgezeichnet. Aus 41 Jahre alten Reben, 35 Monate im großen Holzfass ausgebaut, mit 13,5%, 3,2gRZ und 8,1g/lS (!) zeigt sich der Wein in sattem Goldgelb, mit Duft nach Vanille und Karamell, am Gaumen kraftvoll und mächtig. 5 Tauben sprechen für sich!. Zum Dessert (Mohnnudeln) die Traminer-Auslese Höbertsgrub 2012 aus 55 Jahre alten Reben, gelesen im November, ein Wein mit 14%, 17,5gRZ (!) und 6,1g/lS, mit Rosenduft, Litschifrucht, sehr voluminös am Gaumen, opulent. Ein neuerlicher 5-Tauben-Wein, der ideale Abschluss.
Weiter ging's dann ins unweit gelegene Herrenbaumgarten, in Österreichs einziges Museum für Erfindungen, die wir eigentlich nicht brauchen. Wo man so manchen Spruch und so manche Bezeichnung wörtlich nimmt. Wie etwa den "Sonnenschirm", einen Schirm ohne Bespannung, damit die Sonne eben durch kann. Oder den umschnallbaren "Kinn-Haken", der jederzeit einsetzbar ist. Oder den mit einem Haltegriff versehenen "Tragbaren Hut". Ein Hit auch der Steigungssimulator fürs richtige Höhentraining, die Applaus-Klatsche für Menschen, die sich nicht die Hände wund klatschen wollen, oder das Ego-Echo, ein Rohrsystem, in das man hineinreden und sich gleichzeitg auch selbst hören kann. Oder der "Zuckerhut", oder das Telefon, mit dem man mit sich selbst telefonieren kann.
Alles wunderbare Dinge, die man nicht braucht, losgelöst vom Nützlichkeitsdenken des Alltags, erheitern diese epochalen Weltverbesserungsvorschläge die Besucher des "Nonseums". So auch uns! Nach diesem Kulturprogramm der etwas anderen Art ging's wieder zurück zum Wein, und zwar in die Tiefen des Kellerlabyrinths von Friedl Umschaid unterhalb von Herrenbaumgarten. 600 Meter weit reichen die Keller, wo Raritäten und Schätze der vergangenen Jahrzehnte auf ihre Verkostung warten. Und zwar in jeder Kellerröhre und in jedem Kellerabteil eine andere Sorte. Ob als Jungwein oder als jahrzehntelang gelagerter Altwein, beides wurde für die St. Urbanus Gruppe zum einmaligen Erlebnis. In rot und blau beleuchteten Kellern wurden Welschrieslinge (2016 und 1989 - überraschend gut erhalten) verkostet, GV DAC 2016 mit 12,5% fruchtig, spritzig, der GV 1987 hingegen gereift, vollmundig, komplex. Auch das eine Überraschung für diesen 30 Jahre alten Wein.
Friedl Umschaid ist ein Wein-Bessener, der Weine lieber sammelt als verkauft - und sie dann ganz stolz den Besuchern vorstellt. WB 2016, 2014, 2012, 2011 und dann eben, weil sie gerade da liegen, auch die WB 1999 und 1997. Und das gibt's noch bei Rieslingen, Chardonnays, dann die im Barrique ausgebauten "Chardoriques" 2015 und 2013, vollmundig, dicht, üppig. Nach den Traminern warten im Rotlichtviertel Zweigelt, Blauburger, Merlot und die kesse "Lolarot", eine trinkfreudige Cuvée aus ZW,BB,ME. Lediglich auf 5 ha baut der Friedl zehn verschiedene Sorten aus, die Produkte lagert er seit 1973 in mittlerweile zehn Kellern, die er seit 1989 immer wieder erweitert, neue dazu kauft, diese zum Labyrinth verbindet, immer wieder erweitert. Das ist auch so eine Leidenschaft von ihm.
Zurück an der Oberfläche klingt dieser Ausflug ins Weinviertel beim Umschaid-Heutigen im alten Presshaus (auch so eine dem Sammler ans Herz gewachsene Einrichtung mit alten Originalutensilien des Weinbaus) bei deftigen Wurst-Käseplatten, angeregten Gespärchen und mehr (Jung)Wein aus. Ein Weinerlebnis der ganz besonderen Art, dass ich Freunden des außergewöhnlichen Weinerlebnisses durchaus empfehlen möchte:
Text und Fotos: Christian Stöger
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