Argentinien und Chile, zwei Länder, weit weit weg, am anderen Ende der Welt. Argentinien und Chile, Nachbarn, getrennt durch die mächtigen Anden. Zwei Länder mit einer auf weiten Strecken ähnlichen Geschichte, besonders was die Entwicklung im Weinbau betrifft. Wovon sich auf zahlreiche Mitglieder der St. Urbanus Weinritter bei der Verkostung in der Vinothek Bitzinger auf Einladung des Konventikel Eins am 16.11.2021 überzeugen konnten.
In Argentinien liefern etwa 26.000 Betriebe auf 220.000 Hektar (etwa 5x größer als Österreich) Weinqualitäten von anonymen Billigprodukten bis zu hochwertigsten Weinen. Der wuchtige, intensive Malbec (44.000 Hektar), der weiche, fruchtige Bonarda (18.000 Hektar) und der frische, blumige Torrontés (8.100 Hektar) sind neben internationalen Rebsorten stark verbreitet.
Die Anfänge des argentinischen Weinbaus gehen wie in Chile auf die spanischen Conquistadores zurück, die etwa Mitte des 16. Jahrhunderts erste Reben aus Europa mitbrachten und anpflanzten. Sie brauchten Messwein und Wein für die Bevölkerung. Daraus hat sich im Laufe der Jahrhunderte fast ausschließlich eine billige Massenproduktion entwickelt, mit allen politischen und wirtschaftlichen Wirren und Rückschlägen. Mendoza war schon zu Beginn der Ausganspunkt des Weinbaus in Argentinien und ist es bis heute geblieben. Erst mit etwas Stabilisierung der Situation kamen internationale Investoren Anfang der 1980er Jahre ins Land, womit - grob gesehen - der Aufschwung des Weinbaus im Lande begann. Mit internationalen Rebsorten hat sich dann bald der Malbec als hervorragende Leitsorte herauskristallisiert, der in Argentinien für diese Rebsorte einzigartige und ideale Bedingungen vorfindet. Ein weltweit einzigartiger Wettbewerbsvorteil!
Typisch für Chile ist die alte Bordeaux-Rebsorte Carménère (in Chile etwa 7.200 Hektar; weltweit etwa 11.200 Hektar). Von den 115.000 Hektar Rebfläche in Chile (etwa 2,5x größer als Österreich). Vorherrschend ist Cabernet Sauvignon mit knapp 30% der chilenischen Rebfläche von 115.000 Hektar.
Die historische Entwicklung des Weinbaus ist ähnlich wie in Argentinien, wenn auch einige Jahre früher als in Argentinien. Da Chile im 19. Jahrhundert und bis heute von der großen Reblausplage verschont geblieben ist, sind Abkömmlinge von unversehrten Bordeauxreben heute ein einzigartiger genetische Schatz. Davon profitiert wiederum das heutige Europa durch Re-Import solcher Reben. Ähnlich wie der Malbec in Argentinien hat sich in Chile die Carménère als Top-Sorte etabliert, die die chilenischen Winzer fast exklusiv anbieten können. Der erste reinsortige Carménère wurde in Chile übrigens erst 1996 (!) abgefüllt.
Die Verkostung: Nur mit der Vorgabe, einen Wein aus Chile oder Argentinien für die Verkostung mitzubringen, war die Verteilung mit 10:11 unerwartet ausgewogen! Und nur ein einzige Wein war doppelt (von dem hätten wir auch noch mehr vertragen, siehe weiter unten)! Das widerspiegelt den begeisterten persönlichen Einsatz für die Verkostung, eine Palette, die ein Einzelner kaum so zusammenstellen hätte können! Faszinierend, mit großem Lern- und Kennenlern-Wert!
Nachfolgend zu einem zugegebenermaßen sehr persönlichen Auszug aus der Verkostung:
Argentinien, Bodega Norton; Weinbauregion Mendoza, vertreten mit insgesamt 4 Weinen, gegründet 1895, von Gernot Langes-Swarovsky im Jahre 1989 gekauft, ist dieses Weingut einer der ganz großen in Argentinien. Sehr breite Weinpalette, von ‚günstigen‘ Massenweinen tadelloser Qualität bis zu internationalen Spitzenweinen. Malbec, Cabernet Sauvignon, Merlot sind die roten Leitsorten, die Reben durchschnittlich 30-50 Jahre alt, teilweise aber auch bis zu 80-jährige Reben; auch weiße Rebsorten wie Chardonnay oder Chenin Blanc spielen eine Rolle.
Privada 2016, 14,5% A., 40% Malbec, 30% ME, 30% CS; sehr dunkel, Kräuter, Gewürze, stoffig-dicht, trotzdem samtig und nicht bissig hart; aus einer Höhenlage zwischen 850 und 1100m, 50-80 jährige Reben.
Daneben hatten wir von der Bodega Norton noch einen Cabernet Sauvignon Reserva 2016, 14,5% A., etwas ungewohnt für einen CS, bissig hart mit straffer Säure; einen Finca Perdriel Coleccion Malbec 2010, 14,5% A., verhaltener Duft, zartbitter, extrem hart und bissig, mit minzigen Noten im Abgang, die durchaus noch Potential versprechen; und einen Barrel Select Merlot 2014, 14% A., dichtes rot-violett, fruchtig, an Kirschen erinnernd, knackig, mitteldicht, guter Stoff!
Argentinien, Dominio del Plata Susana Balbo, Signature Malbec 2009, 14,6% A., satte dunkle Tiefe in der Nase, feine Bitterschokolade, komplex, harmonisch, gute Reife, schöner Wein! Zu Susana Balbo – zweifellos eine der herausragenden Frauen Argentiniens: 1981 Abschluss in Önologie als beste Absolventin, erste Winzerin Argentiniens, 1999 gründet sie ihre eigene Bodega, 3 Mal Präsidentin von Vinos de Argentina, 2015 „Woman oft he Year“, usw., usw. Jedenfalls eine Ikone des argentinischen Weinbaus! Ihre Werke und Weine sprechen für sich!
Chile, Los Vascos, Chateau Lafitte Rothschild, „Cromas“ Gran Reserva Carmenere 2019, 14,5% A., dunkelviolett, sehr schöne Frucht, weich und harmonisch ausbalanciert zwischen dichten Tanninen und Säure. Ein sehr leistbarer Rotschild Wein im Preisbereich 15–20 €! Der einzige Wein bei der Verkostung, der doppelt war! Was für ein Glück!
Chile, Perez Cruz Quelen, Special Selection 2007, 14,5% A., sehr schöne Reife, weich, fein, Gewürze, (fast schon über-)intensiv; sehr schöner Wein! Aus einem Familienweingut mit besten authentischen Weinen aus dem Maipo Alto!
Chile, Vina Viu Manent, El Incidente Carmenere 2017, 14% A., extrem schön, fein, zart, edel! Carmenere at its best! Ausgezeichneter Wein! Schon im gehobenen Preissegment von etwa 65 €; benannt nach einem Ballonunfall des Besitzers im Jahre 2010. Das Weingut hat auch den ersten chilenischen Malbec abgefüllt! Extra dafür auf dem Landweg nach Argentinien / Mendoza gereist!
Argentinien, Bodega Catena Zapata, Malbec Argentino 2017, 14,1% A., DER Malbec Argentiniens; ein Malbec wie noch nie getrunken, …macht sprachlos! Deshalb schwer zu beschreiben; nimmt es mit den ganz großen Weinen der Welt auf! Auf der Flasche die epische Geschichte dieses Weines – von der Geburt des Malbecs an der Brücke in Cahors über seine Immigration in die Neue Welt, seinen Tod durch die Reblaus in Frankreich und die dadurch ermöglichte Wiederauferstehung in der Neuen Welt… Der Wein stammt aus einer Selektion von Malbec Reben aus der Vor-Reblaus Zeit (‚Catena Cutting‘), aus Weingärten in großen Höhenlagen, mit ständigem Blick auf die schneebedeckten Berge der Anden, usw…
Chile, Domaine Bournet-Lapostolle, Clos Apalta 2015, 15% A., - unfassbar! Dieser Wein schafft es noch, auf den vorigen eines draufzusetzen! Unglaublich intensive Frucht, dunkelviolett, dabei harmonisch ausgewogen und seidig weich, ein 100-Punkte Wein, Trinkvergnügen auf höchstem Niveau! Eine vielleicht etwas persönlich Anmerkung dazu, die das Vergnügen keinesfalls schmälern soll: dieser Wein zeigt, was mit Geld machbar ist – und was mit viel Geld noch besser gemacht werden kann! Alles nachzulesen auf den entsprechenden Seiten…
Argentinien und Chile, zwei Länder, weit weit weg, am anderen Ende der Welt. Argentinien und Chile, Nachbarn, getrennt durch die mächtigen Anden. Zwei Länder, die als Konkurrenten bei der Verkostung gestartet, aber gemeinsam - sich gegenseitig ergänzend - als Sieger durchs Ziel gegangen sind!
Text: Engelbert Kitzler
Fotos: Monika Schwedler